Sein botanischer Name, Juniperus communis, bedeutet so viel wie »der ewig jung Erscheinende«. Für die Heiden war er noch der »Queckholter« (queck = lebendig); die gleiche Wortwurzel findet sich in dem Begriff »quicklebendig«, denn der Wacholder strotzt geradezu vor Lebenskraft und dient im Winter wiederum als Rückzugsort für die Vegetationsgeister. Daher das Sprichwort: »Vor dem Holler zieht der Bauer den Hut, vor dem Wacholder aber kniet er nieder.« Im Gegensatz zum Holunder schenkt der Wacholder dem Menschen das ganze Sonnenjahr über Heilmittel und darüber hinaus auch Rauchwerk.
Als Lebensbaum spielt das knorrige Zypressengewächs einst wie heute im Ahnenkult eine Rolle. Bis heute räuchert man im Alpengebiet Kranken- und Sterbezimmer mit Wacholder aus. Hippokrates soll mit Wacholder sogar die Pest aus Athen vertrieben haben. Einer Südtiroler Legende zufolge sollen während der Pestzüge die Vögel von den Dächern gepfiffen haben: »Esst Kranawitt (Wacholder) und Bibernell, dann sterbt ihr net so schnell.« Wie so oft verbirgt sich auch dahinter wieder eine tiefere Wahrheit: Der Wacholder zählt zu den stärksten antibakteriellen Pflanzen unserer heimischen Flora.
Eben weil der Wacholderrauch einen gewissen Infektionsschutz bot, wurde der Wacholder während der Pestzüge im Alpengebiet beinahe ausgerottet. Doch seine antibakteriellen Kräfte gebrauchen Volksmediziner seit Jahrhunderten auch für den Magen. Großer Beliebtheit erfreut sich in der Volksmedizin die Wacholderbeerenkur nach Sebastian Kneipp als Heilmittel für den »schlechten Magen«: Dazu kaut man am ersten Tag fünf Wacholderbeeren und trinkt ein großes Glas Wasser. Am zweiten Tag kaut man fünf plus eine, also sechs Wacholderbeeren und trinkt wieder ein Glas Wasser dazu. Am dritten Tag kaut man sieben Wacholderbeeren … Dies führt man fort bis man bei 15 Beeren angelangt ist und dann zählt man rückwärts. Also nimmt man jeden Tag eine Wacholderbeere weniger zu sich, bis man wieder bei den fünf Beeren angelangt ist. Wichtig ist dabei, dass man stets ein großes Glas Wasser zusätzlich trinkt und dass sich diese Kur nicht für Schwangere eignet oder für Menschen, die einen entzündlichen Prozess in den Nieren haben. Bei allen anderen werden die antimikrobiellen Kräfte der Wacholderbeeren krankhafte Darmkeime wie etwa Helicobacter pylori vertreiben.
Wacholder treibt Dämonen aus
Überall wo er vorkommt, dienen seine Beeren, seine Nadeln und sein Holz seit Jahrtausenden als Räucherstoffe. Weltweit gebrauchen ihn Heiler und Schamanen, um Krankheitsgeister auszutreiben. Doch was verleiht ihm diese großen Heil- und Zauberkräfte? Seinen wehrhaften Charakter kann man bereits an den sehr stacheligen Nadeln erkennen. Auch sein wesenhaftes Erscheinungsbild zeigt das mächtige Pflanzenwesen an. Wacholder stehen auch gerne frei. Sie dulden es nicht, wenn sie durch andere Bäume bedrängt und beschattet werden. Eben darin zeigt sich auch ihr sonnenhaftes Wesen. Im übertragenen Sinn verhilft der Wacholder zu einer besseren Abgrenzung oder, wie der Kräuterkundige Wolf-Dieter Storl einmal gesagt hat: »Wacholder schafft Raum.« Sein wehrhaftes Wesen nützt vor allem denjenigen, die sich von anderen leicht bedrängen lassen. Außerdem ist er zusammen mit der Engelwurz eine sehr bewährte Heil- und Räucherpflanze bei Angstzuständen. Der wohlriechende und reizarme Wacholderrauch reinigt die Atmosphäre wie auch die Aura von Menschen. Aber auch innerlich gebraucht hilft der Wacholder bei der Angstbewältigung.
Arzneilich gebraucht regen die Beeren in erster Linie die Nierentätigkeit an (z. B. Wala Nierentonikum), und eben die Nieren gelten als »Angstorgane«: In extremen Angstzuständen fällen in den Nieren manchmal blitzartig Oxalsäurekristalle aus und können mitunter sogar blutigen Harn verursachen. Befindet sich ein Mensch in einer seelischen Ausnahmesituation, dann sagt man auch: »Das geht ihm an die Nieren.« Unter Dauerstress leiden ebenfalls die Nieren, beziehungsweise die Nebennieren, und der Wacholder stärkt die Nebennieren wiederum, weswegen er unter anderem beim Ausschleichen von Cortisonpräparaten hilfreich sein kann (z. B. Phytocortal von Steierl Pharma).