Dr. rer. pol. Fred Weidmann – geb. 1938

  • Gebürtiger Eidgenosse, Kommunikationswissenschaftler und visionärer Künstler.
  • Obwohl bereits seit seiner Jugend Künstler, widmete er sich zwischenzeitlich dem Studium der Soziologie und der Erforschung von Kommunikationsprozessen.
  • 1969 findet er jedoch erneut den Weg zur Kunst, da Worte ein gefestigtes Bewusstsein erzeugen, das Medium Bild jedoch ein offenes System darstellt, durch das der Künstler und der Betrachter eine Welt im Werden entdecken.
  • Kunst protokolliert kreative Prozesse. Sie ist ein Weg der Bewusstseinsforschung und das Tor zum Begreifen der Schöpfung.
  • Fred Weidmann lebt und arbeitet in München. Er liebt den geistigen Austausch und  freut sich über einen Besuch in seinem Atelier

www.fredweidmann.com

Fred Weidman, wie immer ganz in Gelb, im Gespräch mit Olaf Rippe

Vor über 20 Jahren durften wir Fred Weidmann persönlich kennenlernen. Inzwischen ist er ein guter Freund geworden und seine Kunst schmückt und verzaubert unser ganzes Haus.  Heute möchten wir Fred als Künstler vorstellen.

Brief von Fred an Olaf – 8.11.2020

Lieber Olaf,

Folgendes ist mir heute früh aus der Feder geronnen:

„Was mir heute erwähnenswert ist, auch beim Pflanzen-Verstehen wird das Prinzip des Universums sichtbar, nämlich es zeigt uns das Ergebnis von Prozessen, die außerhalb unseres Wahrnehmungsvermögens ablaufen, die gewachsene Pflanze. Wir müssen den Sitz der Pflanzenintelligenz ausdenken. Wenn ich mit Ton Blätter forme, dann ist mir kein Geheimnis, wie ich die Buckel und Sattelformen mit leichtem Druck erzeugen kann. Pflanzen demonstrieren, dass sie das Produkt von solchen Einwirkungen sind. Das gipfelt in der post-christlichen Ethik, wo alle Lebewesen Seele haben, auch die Pflanzen. Das ist gut so.

An dieser Stelle helfe ich mir gerne mit der Vorstellung, dass die Götter im Olymp eine faule voyeuristische Bande sind, die sich die Welt so eingerichtet haben, dass alles ewig und reibungslos läuft, keine Reibung, kein Verschleiß, keine Ermüdung, alles Perpetuum Mobile in ihrer Sicht. Diese Götter sehen die Verursachung von allem, sie greifen nie ein, damit haben sie schlechte Erfahrungen. Zu diesem Zweck haben sie uns, auch die Pflanzen, mit Sinnen ausgestattet, die nur relative Werte aus der je eigenen Perspektive feststellen können. Abstände von meiner Oberfläche zu ihrer Oberfläche und ähnliche Parameter wie Licht, Druck, Wärme, kann ich messen. Die Pflanze hat entsprechende, in ihr liegende, Möglichkeiten. Wir brauchen einen Denkapparat um zu überleben und wir müssen annehmen, dass Pflanzen etwas Gleichwertiges haben, denn sie sind mehr als wir erfolgreiche Überlebenskünstler. Bereits bei Tieren mit wenig Gehirnmasse haben wir Mühe, zu begreifen, wie sie so geschickt sein können. Kraken haben in jedem Arm ein Gehirn. Aber Pflanzen? Wie verarbeiten sie die Datenflut in jedem Augenblick?“

Empirisches Wissen hilft da sicher, jedoch im Grunde glaube ich, unser Denkgerüst, der Paradigmenberg, auf dem wir stehen, taugt nicht für ein Aha-Erlebnis in diesem Erkenntnisfeld.

Es ist ein guter Rat für Leute auf dem Wahrheitspfad, Introspektion zu üben. Das heißt, wie sieht mein Gegenstand, wenn er denn wesenhaft ist, die Welt. Im Stillen glaube ich, dass mein Geranium, wenn ich ihn schönfinde und seinen Duft einziehe, mir schon alle seine Wohltaten schenkt, die andere mühsam durch Extraktion in Schnaps einfangen. Dass ich nicht wissen muss welche Wohltaten die Ringelblume genau leisten kann, macht mich nicht zum Barbaren, denn ich kompensiere kräftig, wenn ich die Pflanze großziehe und mich freue. Das geheime Leben der Pflanzen. Ich beherzige jene Lehre.

Pflanzengöttin

Meine Attitüde zu Pflanzen – Essay von Fred Weidmann 16.11.2019

Wie wir mit Pflanzen umgehen, ist das noch zu ertragen? Wir vergiften unsere Nahrung, wir züchten den Nährwert weg, dabei haben wir keine Ahnung, was wir wirklich tun. Ein großes Missverständnis umgibt uns! In der Evolution des Lebens sind wir den Pflanzen auf fundamentale Weise nachgeordnet. Diese mussten den Planeten erst vorbereiten und zusammen mit den Pilzen Jahrmillionen experimentieren und kooperieren, um uns Sauerstoff verwertende, CO2 produzierende, Pflanzenfresser zu erschaffen. Irgendwann in der Evolution, als die anorganische und die organische Welt nicht mehr ihr Gleichgewicht finden konnten, haben die Chlorophyll-Gebilde Ausscheidungen erzeugt, in denen sich Hämoglobin bilden konnte. Unfein gesagt, wir sind die mutierte Kacke der Pflanzen. Unsere Stellung auf dem Globus hat mit Müllverwertung der Pflanzen- und Pilz-Welt zu tun. Wir sollten den Pflanzen dienen, nach ihnen aufschauen zu den Lebewesen, die unsere Mutterpflanzen und Lehrmeister sind.

Wir benehmen uns in Bezug zu Pflanzen wie das Brot zum Bäcker, nämlich doof, weil wir die „Gemachten“ sind. Ein Brot kann keine Brötchen backen, dazu braucht es eine hochentwickelte Struktur. Vielleicht sind wir nicht ganz so doof wie Brot, immerhin haben wir das Leben geerbt, die Fähigkeit zum Denken und Lernen und wir haben die Liebe (wahrscheinlich auch geerbt). Unser Wahrnehmungsapparat kann nicht sehen, wo und wie Pflanzen und auch Pilze, den Sitz ihrer Intelligenz haben. Mit etwas Demut und Bewunderung schaffen wir es, den Pflanzen zumindest gerecht zu werden. Monica Gagliano (Sie hat die Versuche mit den Bohnensprösslingen gemacht, die lernen, den Wind als Vorhut des Lichts zu verstehen.) und die Altmeister der Dschungelvölker treten in direkte Kommunikation mit der Pflanzenintelligenz.

Mutterpflanze

Ich selbst bin ein Stück weit diesen Weg gegangen, Oft saß ich im Garten, um mich in eine Pflanze zu verwandeln, zu lernen, mit den Augen der Staude den Wind zu sehen. Davon habe ich zu berichten versucht, allerdings nicht in streitbaren Worten, sondern in Malerei. Immer wieder habe ich das Leben auf einem Blatt, auf dünnem Boden dargestellt, oder die Ähnlichkeiten von Blattfalten mit Berg und Tal, mit den Runzeln der Kontinente. Windgestalten tragen die Blätter. Ein Blattstiehl trägt nicht allein das Gewicht seines Blattes. Es schneidet den Wind so, dass ein Auftrieb entsteht. Jedes Blatt sitzt auf seinem eigenen Luftkissen. Ich habe dargestellt, wie alles zart anfängt und verhärtet, wie erotisch die Blattachseln sind. Auf vielen Bildern haben die Blätter Augen. Nie vergesse ich die Wurzeln mit in die Darstellung zu nehmen. Die Gesetzmäßigkeiten der Wuchsformen haben mich zur neuen Mathematik geführt, zu einer fraktalen Weltsicht – ein Kapitel für sich. (Die Welt ist nicht dreidimensional, sie ist gebrochen-zahlig. Das heißt, ein kugeliger Kaktus hat beinah drei Dimensionen, während eine Blattrosette näher bei zwei liegt.) Die Gesetzmäßigkeiten, an die sich die Pflanze hält, inspirieren zudem zu einem weiten Feld von Gestaltung: zur Ornamentik. Das Ornament war Tabu für Absolventen der Hochschule für Gestaltung in Ulm, unnützer Tand, der nur Kosten verursacht. Also musste ich mich als Rebell fühlen, wenn ich schmucke Dinge schuf. Oder gar Blumen! Wer wagte es denn noch, Blumen zu malen?

Ein Thema, was mich seit den siebziger Jahren begleitet, ist Philemon und Baucis, die zeitlos Liebenden, die zusammen eine Krone bilden. Dazu gibt es ein Aufsätzchen auf meiner homepage: www.fredweidmann.com/texte

In den Heerscharen der wieder aufforstenden Völker erkenne ich die Weisheit der Pflanzen in Aktion.

Ungeahnte Lüfte

Muss nicht jeder lesen:

Was will ich mit Pflanzen? Wo fängt‘s an? Elternhaus in Schlieren bei Zürich, Gemüsegarten, Vaters Naturverbundenheit? Ab dem 12. Lebensjahr habe ich schon mit Staffelei in der Natur gemalt. (Waldbilder etc. Sonnenblume) Pfadfinderei in den Wäldern um Zürich. In Montana, USA, Köln und Bonn studiert, Soziologie, Völkerkunde, ein Harvard Projekt bringt uns frühe holotrope Erfahrungen.

Vom Gartenhaus, in dem ich als Student wohnte, zum Gärtnerhaus.

Herakleum eine Liebesgeschichte. Als wir um 1968 in das Gärtnerhaus im Auwald am Rhein einzogen, waren dort im verwilderten Hof blühende Herkulesstauden. Mit Sichel und Säge habe ich den stolzen Herkuleskräutern Luft und Licht geschaffen. Ich glaube 13 Jahre lang. Wie es ein Verwandter der Petersilie zu baumartiger Größe schafft, hat mich mit Bewunderung erfüllt. Alles hat mich fasziniert am Herkuleskraut und war mir Vorbild: die Leichtbauweise für die quadratmetergroßen Blätter, die Entfaltungsformen, Gesetzmäßigkeiten, die Wehrhaftigkeit, die Schönheit, Farbgebung und die Blütendoldenteppiche voll mit glücklichen Bienen.  Ich hatte zwar Kenntnis von der Brandblasen verursachenden Kraft der saftigen Borsten, aber ich fand immer, die Pflanze habe das Recht, Leute zu warnen, die sich nicht achtsam benahmen.

Windgestalten

Mir und meinen Lieben haben sie nie böse zugesetzt. Ich glaube wir hatten einen Vertrag, wir waren Partner in einer ätzenden Umgebung von Lieblosigkeit. Vor der Türe, in Rufnähe, die israelische Botschaft und die provisorische Hauptstadt mit all dem kalten Krieg. Innen verwandelte sich der 30-jährige Diplom-Volkswirt und Doktor rerum politicarum in ein unbändiges Selbstfindungswesen. Meine Arbeiten in Kommunikationsforschung hatten den Weg geebnet, da ging es um aneinander vorbeireden. Jetzt war ich gewappnet, zu ertragen, dass das Missverständnis zwischen Maler und Betrachter einfach total ist. Wem sollte ich erzählen, dass ich im Garten sitze und mich in eine Pflanze verwandle, lerne, mit den Augen der Staude den Wind zu sehen? Ich bin bei Herakleum in die Lehre gegangen, während er draußen als Neophyt rabiat bekämpft wurde. Die Siebziger waren die Zeiten, als ich zum ersten Mal einen Baum umarmte und das Fieber war weg.

„Draußen“ sahen wir nur noch das Wirken kognitiver Dissonanzen, von Denkfehlern und Missverständnissen. Ich war und bin überzeugt, dass wir Meinungs- und Bewusstseins-mäßig, jederzeit völlig daneben liegen können. Die Prozesse im Hintergrund jedoch, die das Überleben wirklich steuern, sind wie fehlerfreie permanent bestätigte Theorien, voll logisch. Das erzeugt ein Gesellschaftsbild, in dem die Akteure zwar handeln wie Schachprofis, fehlerfrei Zug um Zug überlebend, denen obendrauf aber noch eine völlig fakultative Oberfläche zur Verfügung steht, wo sie scheinbar ungestraft daher schwätzen können, täuschen, lügen, sich irren und trotzdem auf ihrer Meinung beharren. So kommunizieren alle von einem Missverständnis zum anderen und verpassen dabei, was wirklich an der Basis abgeht: was sie ernährt zum Beispiel. Viel schlimmer noch, Lügen machen krank. Uneins sein mit seinem Innersten macht krank, wogegen Dankbarkeit heilt.

Hexenpflanzen

Pflanzen sind Künstler – Text von Fred Weidmann

Eine Tierart wie wir Menschen kann nur sehen, was qua Evolution zu unserem Bestehen geführt hat. Unsere Beziehung zu Pflanzen ist nicht symmetrisch, was uns zur Nahrung gedeiht, ist immer schon da gewesen, ehe wir geboren wurden. So kann man fragen, ob wir warmblütigen Salatesser nur die Skizzenblätter der pflanzlichen Ästhetik-Übungen sehen, ob Pflanzen uns nur ihr ästhetisches Produkt, die Ausgeburt ihres Schönheitsempfindens, sehen lassen, nicht aber ihr wahres Wesen, welches uns wohl als Leeres erscheint. Pflanzen sind ausgereifte Produkte einer uns fremden Erzeugerästhetik, wundersam in unseren Säugetierraum gestellt. Nur so erklärt sich, warum sie nichts gegen das Gegessen werden haben, warum sie erkennen, auf wen sie wie wirken oder wen sie wie benutzen: Insekten, Kolibris, Gärtner. Pflanzen produzieren Entfaltungsformen, deren Schönheit und ingenieursmäßige Intelligenz uns entzückt, aber ihr wahres Wesen, den Sitz ihres Wollens und Wirkens, sehen wir nicht.

Fred Weidmann und Albert Hofmann

Diese Argumentation folgt allgemeingültigen Regeln der Erkenntnistheorie. Nie kann ein Erzeugnis in der materiellen Welt sich zurückbesinnen auf den präexistenten Erzeugerkosmos. Zum Beispiel dieser Text, selbst wenn ich ihm durch Zauberei Intelligenz geben würde, er könnte nie dahinterkommen, wie die Welt aussieht, die ihn erschaffen hat. Im Erzeugerkosmos der Schriftspur sitzt ein Lebewesen, ein Nerven- und Muskelapparat, sitze ich, der in nichts dem zweidimensionalen Produkt, dem beschriebenen Blatt, ähnelt. Da wir keine Pflanzen machen können, ahnen wir nicht, wie eine Welt aussieht, in der Pflanzen als Erzeugnis entstehen. Wir sehen nur den leeren Raum. Was wir vermuten, ist immer vereinfachend falsch: Gott, Pflanzendevas, genetische Reißverschlüsse.

Also warum nicht beim Modell des Künstlers bleiben, der seine Papierberge von Skizzen entsorgen muss und so Kunst unter die Leute bringt. Die Pflanzen überlassen uns ihren Ausstoß zur Entsorgung. Pflanzen sind Künstler.

Seit langem ist mir bekannt, dass Pflanzen, wenn sie gegessen werden, Duftstoffe freisetzen um ihre Nachbarn zu warnen und um ungenießbar zu werden, aber wie im Spiel von Beutetier und Raubtier spielen wir das mit Pflanzen seit Anbeginn und manches haben wir einfach lieben gelernt.

August 2019, habe ein Interview mit Wolf-Dieter  Storl  gesehen, der sagt das sehr schön, “die Seele der Pflanze liegt außerhalb dem Ding.” So etwa.

 

Das vollendete Werk schmückt den Eingang unerer Praxis

Noch ein paar Stellen aus anderen Texten:

Wir haben unsere Wunschwelt vor Augen, die Utopie, aber sie ist nur eine Vision, eine Zielvorstellung. Sie braucht einen aufgeklärten Maler, der versucht sichtbar zu machen, wie eine heile Welt aussehen könnte. Vielleicht male ich in letzter Zeit diese Heile-Welt-Bilder, weil ich meine politisch-humanitäre Opposition darin sehe, gegen eine entgleiste, pervers gewordene graue Lebenswelt anzumalen. Wir sind so geknechtet von der verwalteten Welt, dass wir ein Gegengewicht brauchen: Romantik, Liebe, Sonnenschein, das irdische Paradies. Ein Ort wo die philanthropischen Träume wahr geworden sind, ist auch ein Ort wo jeder vom Grundversorger über den mittellosen Städter bis zum Gipfel der Macht kurze Wege hat. In Wirklichkeit wüsste ich nicht, wie ich Leuten begegnen sollte, die ganze Völker in die Steinzeit bomben, nur weil deren Oberen keinen Tribut gezahlt haben. Romantiker sind politisch wie Karikaturisten, sie zeichnen den Gegenentwurf zum leidvollen Dasein.

Bei aller Begeisterung für die romantische Malerei hat mich immer genervt, dass die nicht-sprachliche Kommunikation nur die Emotionen anspricht, wobei klare Ansagen zu kurz kommen. Die Romantik ist ein Kind der Aufklärung wie die Demokratie und die Menschenrechte. Das verpflichtet zur Suche nach der Wahrheit, dem zentralen Ziel der Aufklärung und der Romantik. Die Welt ist ein verstehbarer Ort. Das ist die Wahrheit und eine Kampfansage, ein romantisches Bekenntnis und Ziel in Opposition zum Lehrstoff der Herrschenden, die ein perverses Interesse daran haben, ihre Untertanen in konfusen Vorstellungen verwirrt und in Angst zu lassen. Der Romantiker hat gute Gründe und Argumente für den Gegenentwurf, er entwirft eine heile Welt.

Herkuleshimmel 1976

Man muss frei sein, um sein Leben darstellen zu können. Dies war eine Zeit, in der ich Herkuleskräuter im Garten züchtete. Ich habe viel später erst erfahren, dass es eine ganze Liga von Antiherkuleskraut-Menschen gibt, die meinen sie müssten dagegen sein, dass es dieses Kraut bei uns gibt. Es ist aber, weil es so schön wächst, ein grossartiger Lehrmeister für das Pflanzliche. Herakleum wird etwa 3-5 Meter hoch in einem Sommer. Man fühlt sich wie eine Ameise unter einer Petersilie und man versteht mit der Zeit, wie das überhaupt funktionieren kann, wie solche Blätter die Luft schneiden, damit sie sich einen Wolkenknäuel schaffen, ein Luftpolster, auf dem sie ruhen, um überhaupt in der Luft stehen zu können.

Psilocybe Semielanceata

Blümchen

 Lust und Schönheit – 25.12. 2018

Inzwischen habe ich fünf Amaryllis-Zwiebeln, wovon eine durch das Jahr gekommen ist. Ich freue mich so daran, wie geil, unendlich schön sie blühen! Dafür liebe ich alle Lilien. Sie sind Landebahnen für die Befruchter. Die Ähnlichkeit zum Blümchen der Frau ist wohl der Grund für einen emotionalen Schönheitskick. Wenn die Evolution solche Höhepunkte der Sex-Verherrlichung wie bei den Blütenpflanzen erreicht, dann ist für die Menschheit Hoffnung. Noch tätowieren sich die Leute Farben unter die Haut. Wenn aber der Wunsch nach blütenhaftem Blümchen zu stark geworden sein wird, wird die Evolution diesen Weg der Pflanzen gehen. Weil Pflanzen keine Beine haben, sind sie uns in der Entwicklung der Geschlechtsorgane voraus. Ob sie erlebnisseitig auch Lust und Liebe spüren? Gerade das scheinen Amaryllis auszustrahlen! So viel Schönheit ohne Lust ist einfach nicht denkbar. Sehnsucht nach geliebt werden, erlebe ich auch bei Pflanzen, ihre Schönheit will nicht nur anlocken, sie ist aus Lust auf Arterhaltung entstanden. Die Blüten verzaubern den Pollenträger mit ihrer optischen Schönheit erst, dann mit Duft kombiniert, wird er zum berauschten Genießer. Der Befruchter nähert sich beglückt entlang ultraviolett leuchtenden Leitlinien dem Honigtopf, der ihn auch noch mit Nektar stärkt während die Pflanze sich den ersehnten Pollen holt. So ist die Schönheit aus tiefstem sexhungrigem Herzen der Art entstanden. Ab da erlaube ich mir anthropozentrisch zu denken und postuliere Lustempfinden und sexuelle Befriedigung bei den Pflanzen. Auch den Bienen und Schmetterlingen könnte man zuweilen Lust zuschreiben.

Belladonna